Stürzelberg. Den Dieben ist nichts mehr heilig. Wegen der unfassbaren Teuerung kommen sie nachts mit großen Autos und bedienen sich am Selbsflücker-Feld der Familie Wißdorf, die am Ortsrand von Stürzelberg den Bahleswinkelhof betreiben. Besonders schlimm: Es werden auch bei anderen Bauern immer wieder auch Tiere von der Weide geholt und vor Ort geschlachtet. So auch in der Nähe des Bolzplatzes in Stürzelberg. Unbekannte schächteten ein Schaf, nutzten dabei offenbar eine Schlachter-Axt. Geschrei, Blut, Taschenlampen blitzen auf. Hunde bellen vom nahen Schneckenacker. Die Täter lassen alles stehen und liegen und fliehen, lassen Eingeweide und das schwarze, abegezogene Fell des armen Tieres zurück. Die Tat lässt sich rekonstruieren. „Wir haben nur noch das arme zerstückelte Tier gefunden“, sagt Landwirtin Anne Wißdorf traurig. Die Zeit heilte die Wunden der Tierfreundin, die alles dafür tut, dass ihr Kälbchen, Lämmer und Hühner ein gutes, wesensgemäßes Leben haben. „Ich verstehe die Menschen nicht, die so etwas tun. An dem Lämmchen war ja fast überhaupt nichts dran. So klein war es“. erzählt Bauer Matthias Wissdorf, der sich große Sorgen macht, da die Diebeszüge die Existenz vieler Landwirte und Schäfer bedrohen.
Die Wunden waren geheilt, das Lämmchen war besonders bei den vielen Familkien beliebt, die den Bahleswinke´lhof und den Hofladen besuchen. Doch jetzt kommt die Erinnerung wieder hoch. Kinder haben wenige Meter von der Stelle der illegalen Schächtung entfernt am Dienstagnachmittag eine angerostete Schlachtaxt (ohne den Holzstiel) gefunden. „Ich bin mit meinen Freunden da vorbeigegangen und habe in dem Gebüsch da was gesehen“, so Nicolas M. (5 Jahre), der allen Kinder das gefährliche Fundstück zeigte. „Anna hat gesagt, ich soll das im Gebüsch liegen lassen. Ich habe das aber eingepackt und wollte es meinen Eltern zeigen.“
Fachleute haben die Axt begutachtet. „Die ist nicht so gut zum Holzhacken geeignet“, so die Expertise. Eine Anwohnerin der anliegenden Straße „Schneckenacker“ meldete sich bei Rheintoday. „Hier hat es vor einiger Zeit eine grausame illegale Schlachtung eines Schafs gegeben“, erinnerte sie sich. Landwirtin Anne Wißdorf bestätigte auf Anfrage den genauen Standort, wo sie das zerstückelte Tier gefunden hatte (Foto oben). Nur wenige Meter davon entfernt fanden die Kinder am Dienstag die Schlachter-Axt.
Insbesondere im Vorfeld muslimischer Opferfeste nimmt der Schafs-Klau in Stürzelberg zu. Schäfer Giammaria Mossa klagt ebenfalls sein Leid. Nur einmal konnte die Polizei die Diebe fassen. Sie hatten die Lämmer von einer Weide auf dem Deich zwischen Zons und Stürzelberg gestohlen und wurden in Ückerath bei einer Autokontrolle gefasst. „Sie haben dabei auch den Elektrozaun stark beschädigt“, erzählt er. Was die Männer mit den Lämmern vorhatten, das kann Mossa nur vermuten, konkreter wollte er sich dazu jedoch nicht äußern. Auf die Schafdiebe kommt nun eine Strafanzeige wegen Diebstahls und des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu.
Es ist nicht das erste Mal, dass Mossa von Schaf-Diebstählen betroffen ist. Ein ganz schlimmes Jahr war 2015. Damals verlor er innerhalb eines halben Jahres ein Dutzend Schafe, die auf bestialische Weise getötet wurden. „Das war schlimm“, erinnert er sich ungern. Unbekannte hatten im Rheinpark-Gelände in Neuss die Tiere geschächtet. Wenige Wochen später entdeckten Spaziergänger den abgetrennten Kopf eines Schafs auf einer Wiese am Martinsee an der B 9 nahe Stürzelberg. „So etwas habe ich bislang noch nie erlebt“, sagte ein getroffener Mossa.
Die Kinder haben nun mit den Eltern überlegt, die bereits rostende Schlachter-Axt bei der Polizeiwache in Dormagen abzugeben. „Ich glaube es zwar nicht, aber vielleicht können anhand dieses Beweismittels erneut Täter gefasst werden. Es wäre ja nicht das erste Mal, das Wilderer, wenn sie ihrem bestialischen Tun entdeckt werden, auch Passanten oder sogar Polizisten töten“, so ein Nachbar des fünfjährigen Jungen. Bekanntlich erschossen in Kusel Wilderer zwei Polizisten, die diese kontrollieren wollten.
Landwirtin Wißdorf hat aber noch andere Sorgen. Auf Facebook ruft sie auf, dass ihr die Diebe schnell gemeldet werden sollen, wenn diese ihre Felder zwischen dem EDEKa-MArkt und dem Sportplatz abräumen. „Kamera bringen nichts. Wir müssen sie persönlich erwischen“, sagt Matthias Wissdorf.
Trotz aller Diebstähle. Die aktuelle Wirtschaftskrise und die Lebensmittelknappheit in Deutschland macht eines deutlich: Unsere heimischen Landwirte sind unverzichtbar, ja systemrelevant! Als Magnet auch für Städte aus Köln und Düsseldorf hat sich die Selbstpflück-Oase am Stürzelberger Sportplatz entwickelt. Es ist ein grüner Trend und für Kinder wichtig: Obst und Gemüse kommen nicht direkt aus dem Supermarkt, sondern wachsen aus nährstoffreichen Böden.
Die junge Betreiberin des großen Feldes, Anne Wißdorf vom nahen Bahleswinkel-Hof, macht mit ihrer Familie richtig viel power: Sie organisieren Kindergeburtstage auf dem Hof, Ponyreiten und den Besuch der Hühner. Kids könne zusehen, wie die Kühe gemolken werden. Doch der größte Andrang erleben derzeit die Selbstpflücker-Felder. Manuel Kaiser und das ganze Team freuen sich, dass das Angebot nach dem schlechten Wetter im vergangenen Jahr nun den Menschen so viel Freude macht. Der Putzeimer wird in kürzester Zeit voll mit Erdbeeren gefüllt (frischer geht es nicht). Die Früchte sind geschmacklich top und es kann auf dem Feld kräftig genascht werden. Ein Paradies für Kids!
Frische Chilis, Bohnen, Tomaten, Mangold, Kartoffeln, Gurken und zuckersüßen Mais können hier bei der Familie Wißdorf geerntet werden. Bis Oktober ist genug für alle da. Nicht nur für die Diebe. Übrigens: Die Bienen der Stürzelberger Imker fliegen die Bohnen-Blüten an und sorgen für Bestäubung auch der anderen Pflanzen. Den frischen Honig der Frühtracht aus 2022 (Löwenzahn, Obstblüte, Raps, Himbeeren) gibt es auch in der großen Erdbeere, die von weitem zu sehen ist.
Honig aus der eigenen Region ist besonders wertvoll, weil davon auch die Wildpflanzen der Heimat profitieren. Und: Die kleinen Mengen der im Rheinland vorkommenden Pollen im Honig, soll Leute, dies sich mit Heuschnupfen plagen, helfen und zu einer Art Desensibilisierung beitragen. Dies ist aber nicht medizinisch bewiesen und die Imker werben auch nicht mit der möglichen Heilkraft des Honigs, obwohl Produkte aus dem Bienenvolk zu dem stärksten in der Natur vorkommenden Bazillen-Killer gehören sollen, was aber auch niemand offiziell behaupten darf. Wichtig sei allerdings, dass der Honig niemals über 30 Grad Celsius erwärmt werden darf- denn sonst sind viele der 100 wertvollen Inhaltsstoffe zerstört. Tee also erst abkühlen lassen, dann den Honig rein. Oder: Macht es wie die Griechen: Honig in Naturjoghurt- ein tolles Dessert! Dazu frische Erdbeeren vom Feld der Familie Wißdorf. Lecker! Hätten die Kinder am Dienstag nicht die Axt gefunden, dann hätte sie sich nicht an die schreckliche Nacht erinnern müssen und könnte die wunderbare Pracht auf ihren Feldern nun unbeschwert genießen
Frank Möll