Nach dem Tod von Frau Dobler: Rheinlandklinikum verliert Vertrauen

Neuss/ Dormagen. „Baby stirbt nach Zangengeburt“ So titelte die BILD am 28. Januar 2024. Und weiter: „Es hätte ein unvergesslich freudiges Ereignis für die Familie werden sollen: die Geburt ihres Sohnes. Doch am 9. November 2022 spielte sich im Kreißsaal des Lukaskrankenhauses in Neuss eine unfassbare Tragödie ab. Am Ende war ein Baby tot.“ Am 21. Februar fiel dann das Urteil im Prozess um den tödlichen Fehler: Schuldig! Der Oberarzt wurde zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt und soll 5.000 Euro für gemeinnützige Zwecke zahlen. Das Rheinland Klinikum kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Ein weiteres Beispiel mit Todesfolge…

Ingeborg Dobler holte sich jeden Morgen die BILD-Zeitung und war immer fassungslos, wenn sie solche Geschichten über das Rheinland-Klinikum las. In Dormagen-Stürzelberg kaufte sie oft beim Lidl ein. Zwei bis drei Stunden konnte so ein Einkauf dauern, denn jeder plauschte mit der agilen, dynamischen und lebensfrohen Frau, die gerne tanzte. Dann ein kleines Missgeschick. Ein Kochtopf fiel ihr auf den Fuß. Gegen ihren Willen brachte ihre Tochter Susanne Dobler sie ins Hackenbroicher Rheinland-Klinikum. Sie kam nicht mehr zurück zu ihren Lieben und starb nach einem schweren Todeskampf ganz allein, weil Ärztinnen und Pflegerinnen den Angehörigen den Zutritt zum Sterbezimmer nicht erlaubten. Susanne Dobler ist eine bekannte Fotokünstlerin und in der Region bekannt. Sie arbeitet für die Rheinische Post und ihre Ausstellungen locken Kunstbegeisterte aus ganz Europa nach Düsseldorf und in den Rhein-Kreis Neuss. Bürgermeister Reiner Breuer ließ sein Amtszimmer und das Neusser Rathaus mit den Kunstwerken von Susanne Dobler schmücken. Er ist einer der zwei verantwortlichen Ober-Bosse des rheinland-Klinikums. Susanne Dobler wollte ihn anrufen. „Aber das, was uns passiert ist, muss ganz groß aufgezogen werden“, sagt sie ihrem Stürzelberger Heimat-Medium „Rheintoday“, das sie schätzt. „Ihr habt keine Angst, ihr habt mit niemanden ein Stillhalte-Vertrag. Rheintoday vertraue ich. Bitte macht diesen Skandal bekannt.“ Das, was sie und ihre Mutter ertragen musste liest sich wie eine Horror-Geschichte. Mehr dazu später.

In der Hackenbroicher Rheinland-Klinik werden Romanzen mit Sex und allem, was dazu gehört, vom ZDF realistisch nachgespielt. Auch der mittellose Rheintoday-Chefredakteur Frank Möll hatte sich als Sanitäter einmal eine reiche Ärztin des Rheinland-Klinikums „geangelt“, mit der er drei Jahre lang liiert war. Genau über solche innerbetrieblichen Liebesbeziehungen sprach der Chef Dr. Nicolas Krämer in einem Interview mit dem langjährigen Stadt-Kurier-Journalisten André Scheidt nahm Bürgermeister Reiner Breuer um Anlass, ihn zu feuern. Foto: ZDF

Nicht nur die medizinische Qualität gerät in den Fokus, auch in Sachen Finanzen schreibt der hoch verschuldete und klamme Klinikkonzern negative Schlagzeilen: „Das Rheinland Klinikum kämpft mit wirtschaftlichen Problemen“, weiß die NGZ zu berichten. „Der Bund muss sich bewegen – sonst geht uns die Puste aus“ titelte die Lokalgazette am 8. September. Ein halbes Jahr später wissen wir: Der Bund hat sich nicht bewegt, der wenig später im September 2023 verabschiedete Gesundheitsetat des Bundes fällt deutlich niedriger aus als der des Vorjahres. Und auch die Eckpunkte der Krankenhausreform sehen zunächst kein neues Geld für die Krankenhäuser zwischen Flensburg und Oberammergau vor. „Aus Sicht der SPD in Neuss ist das Tischtuch zwischen Stadt und Rhein-Kreis in Sachen Rheinland Klinikum zerschnitten. Fraktionschef Sascha Karbowiak bringt eine Rückabwicklung der Fusion von Lukaskrankenhaus und Kreis-Krankenhäusern ins Gespräch“. Und Wolfgang Kaiser von der CDU fordert im berühmten Kurier von Chefredakteur Stefan Menciotti aus Straberg (erscheint in Grevenbroich und Neuss) derweil den Austausch der Geschäftsführung. Zumindest ihr Sprecher Georg Schmidt ist wohl bereit, freiwillig seinen Platz auf dem Chefsessel zu räumen, wie aus dem kranken Haus zu hören ist.

Der Streit zwischen den Gesellschaftern Rhein-Kreis und Stadt Neuss eskaliert. Es geht ums liebe Geld, um Macht und um Drohungen sowie gegenseitige Schuldzuweisungen. Offenbar glauben einige hochrangige Vertreter des 2019 fusionierten Klinikums nicht mehr an die Wirksamkeit des in der zweiten Jahreshälfte 2022 verabschiedeten Restrukturierungsprogramms. Nur ein Jahr ist es her, dass der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Wilfried Jacobs über die NGZ verlauten ließ, dass das Klinikum auf einem sehr guten Weg sei. Bereits in wenigen Jahren würde das Rheinland Klinikum „versorgungspolitisch in der ersten Liga“ spielen. Experten zweifelten die Aussage des ehemaligen Krankenkassenmannes damals schon an. Zu viele Fehler waren unter dem einstigen Chefkontrolleur, der im Ruf steht, sich deutlich mehr ins operative Geschäft einzumischen, als es seiner Rolle zusteht, unterlaufen. Zu viel war bei der Schaffung neuer Strukturen und neuer Angebote gegen die Vernunft der Versorgungspolitik sowie entgegen den gesundheitspolitischen Vorgaben und Trends gelaufen. „Wir betreiben keine Krankenhäuser, um Geld zu verdienen, sondern wir verdienen Geld, um Krankenhäuser zu betreiben“, lautete das Credo des Mannes, der nicht gerade für kluges kaufmännisches Agieren bekannt ist. Seine Worte klingen wie blanke Ironie, kaum ernst zu nehmen. Noch hat sich der Neusser Steuerzahler nicht beschwert, dass die Millionen, die in die Anstalt gepumpt werden, um Finanzlöcher zu stopfen, an anderer Stelle im kommunalen Haushalt fehlen, zum Beispiel in Schwimmbädern, die immer teurer werden. Und wie lange die Augustinus-Gruppe die Ungleichbehandlung zuungunsten des von ihr in Neuss betriebenen Johanna-Etienne-Krankenhauses zu akzeptieren bereit ist, bleibt ebenfalls abzuwarten.

Bürgermeister Reiner Breuer agierte gegen den erfolgreichen Geschäftsführer, der offenbar aber die Wahrheit aussprach

Ins negative Bild passte auch die seltsam anmutende Bestellung von Alexander Lottis zum Geschäftsführer, vor der Rheintoday und in der Folge auch andere Medien im Vorfeld gewarnt hatten, und die bei Branchenkennern heftiges Kopfschütteln ausgelöst hatte. Das Marktwissen wurde ignoriert, gut vernetzte Branchenkenner nicht angehört. Wie so oft schien man es besser zu wissen. Der Schuss ging nach hinten los. Die Amtszeit des höchstumstrittenen Lottis war nach nicht mal einem Jahr beendet. Sollte sich Wolfang Kaiser durchsetzen, müsste eine neue Geschäftsführung übernehmen. Die Unternehmensberatung WMC Healthcare ist – so berichtete die NGZ – schon seit einiger Zeit im Haus. Sollte sie bzw. die zur WMC-Gruppe gehörende Hospital Management Group das Management übernehmen? Ob Andreas Schultz für einen etwaigen Einsatz rechtzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird, steht noch nicht fest. Das Urteil im Namen des Volkes steht aus. Ob sich die Verantwortlichen trauen werden, das Management an ausgerechnet dieses Unternehmen zu vergeben? Bereits die Vergabe von Beratungsleistungen an WMC erschien dubios. Die Rheintoday-Anfrage im Klinikum, ob die Vergabe sauber über eine Ausschreibung gelaufen sei, blieb bislang unbeantwortet. Nachtigall, ick hör die trapsen… 

Die Mutter der Berühmten Fotografin Susanne Dobler kam nicht mehr lebend aus dem Hackenbroicher Rheinland-Klinikum heraus. Ihr war nur ein Kochtopf auf den Fuß gefallen.

Während arme Patienten wie Ingeborg Dobler einen brutalen Todeskampf führen,  sorgt das Rheinland Klinikum derweil selbst für Heiterkeit und Ablenkung. Im Mai letzten Jahres wurde als über eine Annonce ein „attraktiver Hochzeitsgast“ im Alter zwischen 25 und 35 Jahren gesucht. Mit diesem Betreff sowie über einzureichende Portrait- und Ganzkörperfotos wurde ein Komparse für die ZDF-Serie „Bettys Diagnose“ gesucht. Die Krankenhausserie „mit Herz und Humor“, deren Folgen man auf Romance TV ansehen kann und in der es um Affairen zwischen Krankenschwestern und Chefärzten geht, nutzte das Rheinland Klinikum in Dormagen für die Dreharbeiten – ausgerechnet für eine Hochzeitsfolge, die im Februar ausgestrahlt wurde. „Jede Folge bietet einzigartige medizinische Fälle, menschliche Dramen und romantische Verwicklungen. Das Klinikum in Dormagen, das als Drehort dient, verleiht der Serie Authentizität. Zuschauer können sich in die Welt des Krankenhausalltags hineinversetzen und mit den Charakteren mitfühlen. Die Macher der Serie legen großen Wert auf medizinische Genauigkeit und arbeiten eng mit medizinischem Fachpersonal zusammen, um realistische Situationen zu schaffen. Die aktuelle Staffel mit dem Hochzeitszelt bietet den Fans eine prickelnde Note und verspricht unvergessliche Momente.“ So heißt es von offizieller Seite.

Realistische Situationen? Die in der beliebten Krankenhausserie mitspielenden Charaktere werden vom ZDF zum Beispiel stereotyp wie folgt beschrieben:

„Prof. Dr. Christian Wehmann, Prof. für Kardiologie und Lungen­heilkunde, neuer Chefarzt der Karlsklinik, souverän, geistreich und eloquent. Trotz seines reifen Alters ist er ein attraktiver Mann, ein „Frauenschwarm“ im besten Sinne. Zwei Personen der Aufnahmestation scheint Wehmann jedoch noch andere Gefühle entgegenzubringen, als nur Respekt: Betty und Lizzy.“

Stellenanzeige für die Dreharbeiten im Hackenbroicher Krankenhaus

„Betty sagt, was sie denkt, und sie tut, was sie sagt. Wir begleiten Stationsschwester Betty durch den stressigen Klinikalltag, durch ihre privaten Turbulenzen, beim Girls-Talk im Schwesternzimmer und auf der Suche nach dem großen Glück. Als Betty übergangsweise in die Schwestern-WG zieht, wird es spannend für Talula. Denn nun bekommt sie noch mehr von den privaten Gesprächen der älteren Freundinnen mit.“

„Dr. Marco Behring umweht ein Geheimnis, über das die Kollegen, insbesondere die Krankenschwestern, liebend gerne spekulieren und wilde Theorien entwerfen. Warum meidet er alle Gespräche über Pri­vates? Für Lizzy ist Behring ein neuer „Dr. Love“ mit spannenden Geheimnissen, die es zu ergründen gilt.“

„Lizzy ist Krankenschwester, a) weil sie klug und b) weil das der direkteste Weg in den sicheren Hafen einer Arzt-Ehe ist. Lizzy ist attraktiv, aber kein Püppchen. Sie will nicht nach einmaligem Ge­brauch zur Seite gelegt werden. Ihre Stärke ist der Flirt in allen Lebenslagen – sei es im steckengebliebenen Lift oder im OP. Kein promoviertes und einigermaßen vorzeigbares Exemplar der Gattung Mann wird ausgelassen.“

Krankenschwester sein bedeutet also den direktesten Weg in den sicheren Hafen einer Arzt-Ehe. War da nicht mal was?  Vor vier Jahren war der damalige Geschäftsführer Dr. Nicolas Krämer das Krankenhaus wegen einer in eine ähnliche Richtung gehende Aussage in einem Live-Interview vom Hof gejagt worden. Cancel Culture in R(h)einkultur. Das immer noch amtierende Aufsichtsratsmitglied Elisabeth Heyers forderte damals zusammen mit der damaligen Fraktionsvorsitzenden in einer Pressemitteilung der CDU Konsequenzen gegen Krämer, obwohl der in seiner Amtszeit stets schwarze Zahlen vorgelegt hatte und beliebt war. Seine Äußerungen schädigten das Ansehen des Rheinland Klinikums, so die offizielle Verlautbarung. Der Fall schlug hohe Wellen.

Bürgermeister Breuer, Betriebsrat, Politiker – viele griffen Krämer wegen seines ihm angedichteten Weltbildes, das den Betriebsfrieden in der Anstalt gestört hätte, hart an und befeuerten das Cybermobbing in den sozialen Medien gegen Krämer und seine Familie. Aus dem Schützenzug von Reiner Breuer „Wisse Röskes“ mischten Kameraden bei der Kampagne gegen Nicolas Krämer eifrig mit. Juristisch erwiesen sich die Vorwürfe offenbar als haltlos. Und ganz offensichtlich hat sich auch die Sichtweise mittlerweile komplett gedreht. Denn das Rheinland Klinikum schmückt sich in den Sozialen Medien und der Presse geradezu mit den Dreharbeiten zu einer Serie, deren Frauenbild nach Beendigung der Dreharbeiten im Rheinland Klinikum in der Berliner Zeitung „als aus den 1950ern stammend“ und deren Macher deswegen als „mysogen“ bezeichnet werden. Von einer Gefährdung des Betriebsfriedens ist jedenfalls keine Rede. Das Gegenteil ist der Fall, man wirkt stolz auf die Darstellung der „realistischen Situationen“, die „romantischen Verwicklungen“ und „die prickelnde Note“.

Die Glaubwürdigkeit der Vertreter des Rheinland Klinikums im Hinblick auf die Empörung über Krämers Interview ist durch die Dreharbeiten zu Bettys Diagnose und den Umgang des Klinikums mit ihnen endgültig dahin. Das legt den Verdacht nahe, dass die Vorwürfe gegen Krämer konstruiert und die Empörung gespielt waren. Wahrscheinlich steckte etwas anderes dahinter. Die wahren Hintergründe kamen bis heute nicht ans Licht. Krämer hatte im Vorfeld der Fusion immer wieder sehr deutlich auf die schlimme wirtschaftliche Situation der Rhein-Kreis Neuss Kliniken hingewiesen, galt nicht als Freund der Fusion, sondern als Warner, hatte sich sogar im Stadtrat deutlich für ein Holdingmodell ausgesprochen, um das Lukaskrankenhaus und seine Mitarbeiter zu schützen. Mittlerweile ist klar, dass Krämer richtig lag. Sollte er zum Schweigen gebracht werden? Die Höhe seiner in der NGZ bekanntgegebenen Abfindung könnte dafürsprechen. Krämer selbst, der aktuell als Krankenhaussanierer bundesweit erfolgreich ist, wollte auf eine Rheintoday-Anfrage hin keinen Kommentar zur schlimmen Lage des Rheinland Klinikums abgeben. Die Posse um Betty’s Diagnose? Kannst Du Dir nicht ausdenken. Nicht bei der Vorgeschichte. Ob es zu einem Happy End in der Seifenoper um das Rheinland Klinikum kommen wird, oder der Steuerzahler erneut die Zeche zahlen muss? Es bleibt spannend in der Schwarzwaldkl…, äh, im Rheinland Klinikum.  

Kerngesund mit einer Wunde am Fuß wurde Ingeborg Dobler von ihrer Tochter Susanne ins Hackenbroicher Rheinland-Klinikum gebracht, wo Chefärzte gerüchteweise mit Krankenschwestern das Nachtwachen-Bett im Bereitschaftszimmer nutzen, das im Sprachgebrauch lästernder B-Schwestern, die nicht in der Gunst der Ärzte stehen, schlicht nur „Samenbank“ genannt wird.

Der in Neuss und Dormagen bekannte Investigativ-Journalist Chris Stoffels hatte den Tod von Ingeborg Dobler für das Portal „Dormago.de“ recherchiert und mit den behandelnden Ärzten gesprochen. 

„Sie war der unbestrittene Mittelpunkt der Familie mit den vier Kindern und acht Enkeln. Über drei Generationen prägte sie die Familie, war Garantin für deren Zusammenhalt und für die Kraft der Kinder und Enkel. Mami ist tot. Gestorben an einem frühen Sonntagmorgen im Rheinland-Klinikum in Dormagen. Niemand war bei ihr, nicht einmal die engsten Angehörigen wurden verständigt, um ihr in der letzten Stunde ihre Hand zu halten, um sich würdig zu verabschieden, um das letzte Bild von ihr im Herzen zu bewahren – für immer. Die Tochter ist verzweifelt, der Sohn geschockt“, so Chris Stoffels, der einer der Ausbilder voin Rheintoday-Chefredakteur Frank Möll war. „Allein der Gedanke, dass wir nicht bei ihr waren, raubt mir den Schlaf und macht mir Albträume“, sagt die Tochter Susanne Dobler. Frau Dobler wurde herausgerissen aus der Familie, hineingeworfen in das undurchdringbare System einer Klinik.

Chris Stoffels: „Auch der Chef der Notaufnahme, Dr. Thomas Loosen, sucht, fragt, vergewissert sich, versucht Klarheit zu schaffen. Doch es bleiben Fragen, Fakten, Forderungen. Der Mediziner öffnet die Patientenakte, gibt Einblicke in das Vorgehen bei der Behandlung.“ Als Tochter Susanne die Mutter am Samstag um die Mittagszeit in die Notaufnahme des Rheinland-Klinikums in der Chemiestadt bringt, leidet die Frau unter „Beinschmerzen“; vor einigen Tagen war ihr ein Kochtopf auf den Fuß gefallen. Die Diagnose in der Klinik geht darüber hinaus: Blutvergiftung, Lungenentzündung, Herzrhythmusstörungen. Frau Dobler durchläuft die Prozedur in der Notaufnahme und landet ziemlich bald in einem Krankenhausbett. Das bedeutet: Kontrolle alle zwei Stunden, zuletzt in der Akte dokumentiert um drei und um fünf Uhr am frühen Sonntagmorgen.

Ohne wesentliche Befunde. „Wäre es bei dieser Diagnose nicht unbedingt angebracht gewesen, die Patientin engmaschig zu überwachen?“, hakt eine der Töchter kritisch nach. Sie selbst wollte bei der Mutter im Zimmer bleiben, sie hätte achtgeben können. Es ging angeblich nicht. Der verantwortliche Arzt zieht die Verhältnisse in der Klinik, und insbesondere in der Notaufnahme, in Betracht. „Wir arbeiten hier sehr oft am Anschlag“, sagt der Mediziner. Die Möglichkeiten der intensiven Überwachung seien begrenzt, personell und hinsichtlich des Materials. „Wir können nicht einfach neue Mediziner und Pflegekräfte verpflichten“, wiegelt Verwaltungschefin Elisabeth Michels ab. Wirtschaftlichkeit gegen Menschlichkeit? Chris Stoffels stellt kritische Fragen, die Sein Verleger Detlev Zenk verbreitet. Zenk sitzt im Kreistag. Früher in der „guten alten Zeit“ hat der Kreistag und der Krankenhaussausschuss die Hackenbroicher Klinik begleitet und auch kontrolliert.

Ingeborg stirbt in der Nacht, irgendwann am frühen Morgen. „Sie ist nicht mehr aus dem Schlaf erwacht“, stellt Joosten fest. „Sie war ja schon alt“, sagt am Sonntagmorgen die diensthabende Ärztin. Was die Medizinerin möglicherweise als Trost gedacht war, kommt in diesem Moment am anderen Ende der Leitung bei der Tochter als „zynische Bemerkung“ an.

Die Familie kann sich nicht verabschieden. Trotz aller Bemühungen, in der letzten Stunde bei Mami zu sein. „Sie ist im Schlaf gestorben, das war für uns nicht absehbar“, sagt der Mediziner. Doch er kann die Angehörigen nicht überzeugen. Er wehrt sich allerdings vehement gegen den Vorwurf, es werde bei alten Patienten eine Art verdeckter Triage (Auswahl) angewendet, wie etwa bei den Notständen in manchen Kliniken während der Corona-Pandemie.

Frau Dobler starb einsam ohne Beistand ihrer Familie. Die Notaufnahme der Dormagener Klinik arbeitete so, wie sie nach ihren Erkenntnissen und Erfordernissen funktionieren muss. Auf der anderen Seite die einsame Frau, im fremden Bett, dem Tod entgegensehend oder schlafend das Sterben ertragen müssen. Zwei Lebenswirklichkeiten, die offensichtlich nicht zusammenpassen – aber die untrennbar aufeinander angewiesen sind.

der preisgekrönte Journalist Chris Stoffels hat die NGZ Dormagen mitgeprägt und kommt zur Erkenntnis: Das „System Notaufnahme“ muss funktionieren. Das steht außer Frage. Menschen sind auf eine leistungsstarke medizinische Hilfe vor Ort angewiesen. Aus Sicht der Medizin mag dazu das beste technische Equipment das wichtigste sein. Doch die Patienten und Patientinnen können und dürfen mehr erwarten: Menschliche Zuwendung, egal in welchem Alter und bei welcher Diagnose, ist die wichtigste Begleitung – vor allem in den letzten Stunden, wenn das Sterben unausweichlich wird. Niemand will diese Welt verlassen wie Ingeborg Dobler. Das Bild, das die Kinder und Enkel von ihrer Mami, von ihrem Mittelpunkt behalten werden, wird für immer unvollständig bleiben. Lässt sich die Zugewandtheit der Ärzte und des Pflegepersonals zu den Patienten und Angehörigen wirklich nicht mit der Wirklichkeit des Krankenhauses verbinden?

Frau Dobler wollte nicht in dieses Krankenhaus. Die BILD-Zeitung, die sie täglich bei Lidl oder EDEKA kaufte, hatte sie gewarnt. Doch Susanne Dobler schleppte sie nach Hackenbroich. „Das werde ich mir nie verzeihen. Vielleicht haben nicht nur Ärzte und Pfleger sie umgebracht, sondern ich. Ich bin schuld an ihrem Tod“, weint die tapfere Frau und bricht beim Interview mit Rheintoday zusammen. Der Reporter kannte Inge sehr gut. Bei Lidl in Stürzelberg quatschten sie stundenlang. Ingeborg tänzelte danach in Susis Nähe um die Ecke, wirkte wie eine 50jährige, dynamische Theaterschauspielerin in ihren besten Jahren. Dann viel ihr der Kochtopf auf den Fuß. Niemals mehr wird in ihm die köstlichste Suppe zubereitet, die er mit seiner Köchin jahrzehntelang fabriziert hatte. Die Reise nach Hackenbroich war Frau Doblers letzte Reise. Hier klicken für die unbeantwortete Presseanfrage an das Rheinlandklinikum.

Frank Möll

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