Köln/ Neuss. Die Bahnhofskirche in Neuss bei Düsseldorf ist coronakonform bis auf den letzten Platz gefüllt. Einer der Messdiener schlägt das Glöckchen an und die Gemeinde erhebt sich reflexartig von den Plätzen, um den Pastor zur Heiligen Messe zu empfangen. Der kommt zwar auch aus der Sakristei- doch dahinter schreitet einer in die Marienkirche, den ganz Deutschland fast täglich von den Titelseiten der Zeitungen und vom Fernsehen kennt: Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln. Ohne Mitra, ohne Hirtenstab, den der passt nicht in sein kleines Elektroauto, mit dem er ganz alleine von Köln nach Neuss gekommen war. Ohne Fahrer. Ohne Sekretär. Ohne Pressesprecher.
Die Leute sind baff, hören seine Worte: „Der Friede sei mit euch“, sagt er und breitet die Arme aus. Dann brandet Applaus auf. Minutenlang, frenetisch. Wirklich alle applaudieren, hören gar nicht mehr auf. Kardinal Woelki steht im Altarraum und ist gerührt. Warum muss er auf der einen Seite so gehässige Schlagzeilen in der Presse schlucken, während die normalen Gemeindemitglieder überall so herzlich begrüßen und in die Hände klatschen? Nicht nur hier in Neuss, nein, auch im Kölner Dom zur Weihe Russlands und Ukraine und vergangene Woche im Oberbergischen Land bei den Gemeinden von Dechant Christoph Bersch das gleiche Bild: Überall freuen sich die Gottesdienstbesucher, dass der Erzbischof endlich wieder bei ihnen ist.
Gerade jetzt, wo der Massenmörder aus Russland allen mit Atomwaffen droht, wünschen sich die Katholiken im Erzbistum Köln ein Ende der Angriffe. „Wir brauchen ihn so dringend. Einer, der klare Worte gegen Putins Krieg spricht, einer der für den Frieden kämpft und in schwerster Zeit bei uns ist. Die wenigen, aber lautstarken Querulanten in unseren Gremien sollen endlich auch mal den Frieden in unserem Bistum anstreben. Denn wie soll es in der Welt Frieden geben, wenn politisch motivierte Leute wie der linke Tim Kurzbach vom Diözesanrat, den keiner braucht, hier bei uns in unseren Gemeinden ständig zündelt und den internen Krieg befeuert und sich nicht scheut, Massenvernichtungswaffen gegen Woelki einzusetzen“, schnaubt eine Frau, die es satt ist, dass linke Katholikinnen ständig Feminismus und Gender-Themen aufrufen, die gerade nicht so wichtig sind. Der Neusser Oberpfarrer Andreas Süss nickt dazu beim Treffen mit den Gläubigen vor der Kirche, denn der Kardinal bleibt lange, spricht mit vielen. „Dass er mich ganz spontan angerufen hat und gefragt hat, ob er heute am Laetare-Sonntag kommen will, hat mich sehr gefreut“, sagt der junge Priester, der so wunderbare Gottesdienst-Formen wie „Nightfever“ auch in Neuss anbietet.
Bewegend war insbesondere auch seine Predigt, in der Kardinal Woelki vom barmherzigen Vater sprach, der den verlorenen Sohn wieder herzlich aufnimmt und für ihn ein Festmahl der Versöhnung hält. Auch nach dem Segen brandet der Apllaus der Gemeinde wieder auf (siehe Video). Dann setzt er sich wieder in sein silbernes Elektroauto. Ohne Mitra und ohne Hirtenstab, weil dieser dort nicht reinpasst. Aber als Hirte ist er in diesen Tagen überall in der Domstadt und besonders auch in der Provinz erkennbar.
Frank Möll