Hella Lieven hat Gutes getan

Delhoven. In der Martins-Woche hat der liebe Gott Hella Lieven zu sich geholt. So einfach erzählen es die Leute im Dorf den Kindern. „Sie ist jetzt im Himmel“, sagen sie in Delhoven, wo die Welt noch einigermaßen in Ordnung ist. Der Heilige Martin war kein Sozialist, denn er hat seinen eigenen Mantel geteilt und Gutes getan. Ein Spruch, den Hella gerne raushaute. Martin war ein guter Mann, und Hella Lieven war eine gute Frau. Warum war sie eine gute Frau? Nun, sie liebte das Leben, sie liebte die Menschen. Auch die einfachen Menschen, die Armen, die Kranken. Multimillionärin war sie nämlich nicht von Geburt an, nein, sie hat mit ihrem geliebten Mann Heinz und ihrer Tochter Tanja, auf die sie so stolz war, ein Unternehmens-Imperium aufgebaut, das in Dormagen lokale Wurzeln hat, aber nach ganz Europa ausstrahlt. Als noch niemand von „Mindestlohn“ sprach, haben Hella und Heinz Lieven ihren Mitarbeitern schon einen hervorragenden Stundensatz gezahlt. Ihr Geschäftsmodell: Dauerhaft einen großen Mitarbeiter-Stamm aus den verschiedensten Berufsgruppen fair beschäftigen und diese dann an Firmen zu vermitteln, die dringend Arbeitskräfte benötigen. Und jetzt kommt Sankt Martin ins Spiel. Hella Liven hat gerne geteilt. Nicht ihren geschmackvollen Mantel, aber ihr hart verdientes Geld. Wenn jemand in Not war, gab sie im verborgenen Hilfe. Sozialbindung des Eigentums im besten Sinne des Wortes! Hella, Heinz und Tanja Lieven („unsere kleine Familie“) macht das Leben Freunde, lieben das Miteinander,  die Zusammenkunft von Menschen unterschiedlichster Herkunft. Sie stützen unzählige Vereine in und um Dormagen. Ohne die Lievens hätte es viele Jahre Bundesliga-Handball in Dormagen auf hohem Niveau nicht gegeben. Die jungen Spieler suchten Hellas Rat. Sie hatte immer Zeit, einen Kaffee mit den Schützlingen zu trinken. Das-Erfolgs-Team, das sich damals noch nicht „Wiesel“ nannte, war eine Familie und Angela Merkel war noch längst nicht „Mutti“, Hella aber schon. Es wird berichtet, dass Spieler gelegentlich Verträge und mehr Geld bei anderen Vereinen ausschlugen, um bei der Familie zu bleiben, die gerne in der Pizzeria am Markt, der jetzt Helmut-Schmidt-Platz heißt, tagte. Umso mehr schmerzte Hella die Corona-Kriese und dass so viele Veranstaltungen ausfallen müssen. Das Essen beim Italiener in großer Runde, Sport, die Pferde, die Natur in Ungarn und die rauschenden Feste und die Tänze dort, das Schützenfest. All das hat ein Virus kaputt gemacht. Als einfacher Lokaljournalist konnte ich natürlich Hella nicht in Sterne-Restaurants einladen. Ich kochte für sie und Heinz. Dies Gespräche bei viel Rotwein werde ich nie vergessen. Dann kam spät abends meist der Anruf von Tanja: „Ich habe unter der Zoobrücke einen neuen, tollen Italiener entdeckt.“ Eine Woche später waren wir da, haben geschlemmt. Doch Freizeit waren nur zehn Prozent im Leben von Hella Lieven, harte Arbeit 90 Prozent. Und ein Abendessen mit Journalisten war auch nicht nur Spaß. Ich glaube, sie konnte nicht so gut ausruhen, wurde nur etwas mehr als 70 Jahre alt. Aber wie viele Menschen werden 100 Jahre alt und haben weit weniger Gutes getan als Hella Lieven? Ihr Bauernhof war schon vor 20 Jahren ein Öko-Vorzeigeprojekt und Klimaschutz lag ihr schon am Herzen, als Greta noch gar nicht geboren war. Ich bin traurig, dass Hella tot ist – zünde ihr zum Gedenken eine Zigarette an und lese Psalm 91, 11-12: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ Aus der Stille des Büros witzelt jemand: Frank, du hättest Pastor werden sollen. Viele vermissen Hella, die nicht ohne Hoffnung gegangen ist. 100 Prozent wissen wir nicht, ob es sowas wie einen Himmel gibt. „Es ist noch niemand zurückgekommen und hat berichtet“, sagte sie gerne. Angst hatte sie nie. Vor niemanden…

Frank Möll

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