Neuss. Früher gab es in der Neusser Innenstadt auf der Krefelder Straße das Lokal „Zum Kessel“, gegenüber war das Café Calvis, darüber hinaus gab es viele Einzelhandelsgeschäfte und ein Kino in der Fußgängerzone. Heute: Etliche Billig-Geschäfte, Fast Food-Restaurants, Dönerbuden – und viele leerstehende Läden. Das Durchschnittsalter der Besucher der Neusser Innenstadt sei „50 Plus“, bei einer Befragung zur Attraktivität der Neusser Innenstadt hätten sechs von zehn Befragten die Neusser Innenstadt negativ bewertet,zwei seien bezüglich dieses Themas indifferent und lediglich zwei Personen hätten die Neusser Innenstadt positiv bewertet. Diese Aussagen von Jürgen Sturm, Geschäftsführer der Neusser Marketing GmbH & Co. KG, bei einer Frühstücks-Diskussion der Mittelstandsvereinigung (MIT) Neuss stimmten die Anwesenden im Restaurant Kohlmann’s Cafe & Weinbar in den Räumen der Neusser Bürgergesellschaft traurig. Auf die Neusser Innenstadt kommt nun noch ein zusätzliches Problem zu, weil Galeria Kaufhof zum 30. Juni schließt.
Jürgen Sturm merkte an, dass neben der Betreuung der betroffenen Mitarbeiter durch die Agentur für Arbeit wichtig sei, dass zum Beispiel die Fassade des Gebäudes nicht verdreckt werde. Sturm erklärte, dass es nicht sehr wahrscheinlich sei, dass sich ein einziger Investor finde, der das Gebäude als Ganzes nutze und darin ein attraktives neues Einzelhandelsgeschäft errichte. Wahrscheinlicher wäre ein Konzept mit gemischtem Angebot von verschiedenen Einzelhändlern. In dem Gebäude sind schon ein Café und ein Blumengeschäft. Die Frage ist nun, wie die Eigentümer sich entscheiden. Wenn sie sich für einen Abriss des Gebäudes und Neubau entscheiden, würde dieser Prozess wohl sieben bis zehn Jahre dauern. Die Alternative wäre ein Umbau und Gebäudesanierung, wobei als gutes Vorbild der Umbau des früheren Kaufhauses Horten sein könnte, wo heute das Kreishaus untergebracht ist.
Im Rahmen der Veranstaltung stand vor allem die Frage im Vordergrund, wie man die Neusser Innenstadt für junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren attraktiv machen könnte, die, wie es die Organisatorin der Veranstaltung Bärbel Kohler, Mitglied des MIT-Bundesvorstands, formulierte die Zukunft seien. Sie merkte an, dass es zum Beispiel in der Neusser Innenstadt keine „Co-Working Räume“ gebe. Angesprochen wurde weiterhin das Problem der Drogenabhängigen in der Neusser Innenstadt, die sich im Stadtgarten Spritzen setzen und dann die Spritzen auf der Wiese wegwerfen, weshalb das Clemens-Sels-Museum keine Veranstaltungen mehr mit Kindern auf der Wiese bei dem Museum anbietet. Aus den Reihen der Zuhörer wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass hier dringend Hilfe seitens der Stadt notwendig sei. Und schließlich lässt die Parkplatz-Situation in der Neusser Innenstadt zu wünschen übrig.
Für Touristen hat Neuss durchaus etwas zu bieten. So gibt es historische Funde aus der Römerzeit, das Quirinus-Münster und 2026 kommt die Landesgartenschau nach Neuss, was die Wohnqualität von Neuss noch einmal verbessern wird. Neuss kann sich zwar nicht mit anderen vergleichbaren Städten messen, die ein ganz anderes Einzugsgebiet haben, wie zum Beispiel Würzburg mit der Nähe zu Frankfurt. Aber junge Menschen, die anderswo studiert haben, kommen oft wieder nach Neuss zurück, wenn sie um die 30 Jahre alt sind, weil der Wohnraum in Neuss günstiger ist als in Düsseldorf.
Bärbel Kohler stellte abschließend fest, dass zum Beispiel die Stadt Kopenhagen eine Harmonisierung aller Verkehrskonzepte erreicht habe, was aber 25 Jahre gedauert habe. Die Zukunft der Neusser Innenstadt muss in der Öffentlichkeit auf jeden Fall noch breiter diskutiert werden. Die Diskussion mit Jürgen Sturm war sehr fruchtbar und es wurde deutlich, dass hier ein dringender Handlungsbedarf besteht und dass die Zivilgesellschaft hier nicht außen vorgelassen werden darf. Ein Forum zur Diskussion der Zukunft der Neusser City ist zum Beispiel der Arbeitskreis „Innenstadt“ der MIT Neuss. Eine Parteimitgliedschaft ist für eine Teilnahme an diesem Arbeitskreis keine Voraussetzung.
Christian Dick