CDU-Chefin Saysay bringt Bürgermeister Lierenfeld zur Weißglut

Dormagen. Hilfen für ukrainische Flüchtlinge, Unterstützung für die Flutopfer an der Ahr – der junge und dynamische Bürgermeister und praktizierende Christ Erik Lierenfeld ist oft im Fernsehen, sitzt bei BILD TV in Talkshows, wird bundesweit für sein großes Herz gelobt.

„Es ist gut, wenn wir Dormagener anderen helfen, die in Not geraten sind. Aber wenn unsere Bürger hier in unserer Stadt in Not sind, wird ihnen nicht geholfen. Das kann nicht wahr sein“, sagt CDU-Vorsitzende Anissa Saysay und stellt im Stadtrat zahlreiche Anträge, die geeignet sind, die Menschen angesichts der drohenden Rezession und der Inflation zu unterstützen.

Eine lebhafte Diskussion über Saysays Konvolut an Anträgen bringt Bürgermeister Erik Lierenfeld unter Missachtung aller Energiesparmaßnahmen im mit 45 Lampen hell beleuchteten Ratssaal auf die Palme. Kurzzeitig verliert er die Contenance und putzt seine politische Gegnerin coram publico runter. Kurz vor der Weißglut zeigt er der muslimischen Kollegin, was er von ihrer mangelnden Vorbereitung hält: Wenig. Das aber nutzt eher der Opposition und schweißt diese zusammen. Sogar ein mächtiger Mann der Fraktion, der im ganz großen Karo gekleidete katholische Brudermeister Jo Deußen, springt seiner Parteifreundin öffentlich bei.

Ganz kleines Karo hingegen bei einigen Neid-Bürgern. Ukrainische Frauen würden sich in einem Zonser Beauty-Shop die Haare machen und sich von der Nagel-Fee kosmetisch runderneuern lassen. 200 Euro Gesamtpaket! „Das zahlt das Amt“, soll die Ukrainerin gesagt haben. Die Friseurin ruft bei der Stadt an – und der Bedienstete am Telefon bestätigt: „Ja, die haben ja viel Leid erlebt. Da gönnen wir ihnen eine Wohlfühl-Behandlung.“ Ob das Fakt ist- oder nicht. Das spielt keine Rolle. Der Spaltpilz wuchert. Im Zonser Supermarkt und beim Bauer Wißdorf auf dem Selbstpflück-Feld macht die Erzählung die Runde. Auch von den dicken Luxus-Autos mit ukrainischem Nummernschild ist die Rede. Wurden in den ersten Wochen im Frühsommer die Flüchtlinge noch gönnerhaft zu einem Eis ins Café eingeladen, sehen wir diese Szenen der offenen gezeigten Menschenfreundlichkeit kaum noch. Die Ukraine entwickelt sich zum Problembären. Wegen denen da können wir Dormagener unser gewohntes Leben nicht mehr bestreiten, nur noch billiges Zeug kaufen und verlieren vielleicht unsere Wohnung. Ungerecht, aber: Wer ohne Scheuklappen durch die Stadt läuft, erlebt gerade diese Stimmungslage. Nicht bei allen, aber bei immer mehr Bürgern, die zudem große Angst vor einer atomaren Vernichtung haben, weil Deutschland längst Kriegspartei geworden sei. Alles nur wegen diesen Ukrainern, motzen sie. Außerdem: „Nicht nur Putin, sondern auch dieser Wolodymyr Selenskyi ist ein Verbrecher. Und dieser Botschafter Andrij Melnyk geht gar nicht. Zum Glück ist der bald weg“, heißt es. CDU-Chef Friedrich Merz spricht von ukrainischen Sozialbetrügern, die hier abkassieren und oft in die Ukraine fahren und Deutschland abzocken. Sozial-Tourismus mit dicken Autos. Es tut ihm jetzt leid und er bittet um Vergebung für diese böse Aussage.

In der Tat kippt die Stimmung. Viele Dormagener machen sich große Sorgen, können die Energiepreise nicht mehr zahlen und Folgekredite für ihr Wohneigentum nicht mehr bedienen. Extrem teure Lebensmittel und nicht mehr bezahlbare Lebenshaltungskosten belasten vor allem die Familien des Mittelstandes, die keinerlei Unterstützung aus den Sozialkassen erhalten. Bürgermeister Erik Lierenfeld skizziert auf der jüngsten Ratssitzung ein Horrorszenarium: Wenn zehn Prozent der Gas- und Stromkunden bei der evd ihre Abschläge nicht mehr zahlen, dann drohe dem städtischen Tochterunternehmen die Pleite. Und: Für die 1000 Beschäftigten der Stadtverwaltung pressieren die Zusatzzahlungen von 3000 Euro pro Mitarbeiter, die wegen der Krise von der Bundesregierung angekündigt wurden. „Das allein sind drei Millionen Euro, die wir nicht eingeplant haben“, macht Bürgermeister Erik Lierenfeld (SPD) allen Ratsmitgliedern klar. Sein Job ist es, die Verwaltung nicht zu schrotten und das Rathaus am Laufen zu halten. Daher rührt auch seine Wut über den Antrag von CDU´ lerin Saysay. Die wie der Bürgermeister immer perfekt gestylte Frau ist gegen die Erhöhung der Grundsteuer, will Wohnungseigentümern und Häuschen-Besitzer unter die Arme greifen und formuliert entsprechende Anträge aus. Auch bei den unfassbar teuren Strom- und Gaspreisen solle die Stadt helfen. Allein das ärgert Lierenfeld, der grummelt, dass eine politische Anfrage statt des Antrages ausgereicht hätte. Und er macht Saysay klar, dass alles schon an anderer Stelle politisch abgehandelt worden sei. Also: Hausaufgaben nicht gemacht! Sechs, setzen!

„Frau Saysay wollte signalisieren , dass sich die CDU um die Bürger sorgt, was richtig ist“, analysiert die beliebte UWG-Ratsfrau Michaela Jonas gegenüber Rheintoday den Vorgang und nimmt etwas Schärfe aus der Debatte. Auch der Bürgermeister bemüht sich um die abhanden gekommene Harmonie in Krisenzeiten: „Wenn jemand die Gas- oder Stromrechnung wirklich nicht zahlen kann und im Dialog mit dem Versorger bleibt, dann finden wir eine Lösung“, so Lierenfeld, der als Aufsichtsratsvorsitzender der evd stark macht, dass niemanden der Saft abgedreht wird. Auch Familien mit kleinen Kindern nicht.

Anissa Saysay will in der nächsten Sitzung nachlegen und sich noch besser vorbereiten. Sie kennt Minister Laumann und den Energie-Experten Professor Sven Joachim Otto gut. Die wollen sie unterstützen. Saysay wirkt gegenüber Rheintoday einen Tag nach der Ratssitzung sehr zufrieden: „Wenn Herr Bürgermeister Lierenfeld aus der Haut fährt und unsachlich wird, habe ich etwas erreicht.“ Kuschelkurse der größten Oppositions-Partei gilt es zum Wohle der Bürger zu beenden.

Frank Möll

Kommentar

Die Anfrage von Frau Saysay war in der Tat nicht ausgereift. Das liegt auch daran, dass sich die CDU-Ratsmitglieder manchmal nicht untereinander austauschen. Der mutigen Chefin der Union, die es aktuell in der eigenen Partei nicht leicht hat, fehlten wichtige Informationen aus dem Hauptausschuss. Sie wollte zeigen, dass sich die CDU um die Bürger kümmert und hat den Bürgermeister damit in die Ecke stellen wollen. Der hat sich mannhaft gewehrt.

Erik Lierenfeld ist hauptamtlich oberster Beamter und hat einen Stab von Zuarbeitern, die ihn mit Fakten und Beschlüssen stündlich munitionieren. Frau Saysay ist ehrenamtlich im Rat tätig, berufstätig und Mutter zweier kleiner Kinder. Eine Wissens-Waffengleichheit kann es daher nicht geben.

Nach vielen Jahren habe ich mal wieder eine Dormagener Ratssitzung besucht. Ich bin begeistert, dass der Bürgermeister überhaupt nicht politisch korrekt ist, wie ich dachte. Und der Grünen-Chef Wallraff scheint noch ein größerer Chauvi zu sein. Auch der grüne Partner des Bürgermeisters nörgelte an Saysay herum.

Die kesse CDU-Vorsitzende hat den Bürgermeister frontal angegriffen. Anstatt sich wie ein Gentleman mit ihr sachlich auseinanderzusetzen, hat er Anissa Saysay öffentlich belehrt, so wie das Lehrer mit ihren Erprobungsstufen-Schülern gerne tun. Oder wie der Mufti aus Marokko seine Töchter zurechtweist.

Das wird die von einer katholischen Nonne unterstützte Frau marokkanischer Abstammung  gut aushalten können, denn in der Sache hat sich recht: Bürgermeister Lierenfeld und alle Ratsmitglieder haben offiziell versprochen, sich um die Belange der Dormagener Bürger, den eigenen Menschen, zu kümmern. Das ist Amts-Pflicht. Flüchtlingen und den Opfern der Ahr-Katastrophe zu helfen ist die Kür, nein, es gehört sich auch so. Es entspricht dem christlichen und menschlichen Anstand. Wer aber die Bibelstelle des barmherzigen Samariters kennt, wird eines feststellen: Der Samariter hatte Geld…

Rats-Frauen aus der SPD haben meinem Verleger Hans-Ulrich Thiel und mir einmal im Rahmen eines Festaktes in der Kulturhalle den Chauvi-Preis verliehen. Auf der Titelseite des Dormagazins hatten wir den weißbärtigen Sankt Nikolaus im Nievenheimer Schwimmbad von zwei leicht bekleideten Bikini-Frauen umrandet präsentiert. Nicht etwa der Herr Erzbischof oder Pastor Koltermann aus Verletzung der Pietät des Heiligen, sondern die SPD-Frauen haben sich in ihren launigen Reden beschwert, dass die Damen nicht im Mittelpunkt des Bildes stehen, sondern nur als schmückendes Beiwerk dienen.

Aus diesen SPD-Ratsfrauen ist nichts geworden. Bislang gab es nur Männer an der Stadt-Spitze. Bürgermeister Lierenfeld, der sich gerne mit anderen bärtigen Mannsbildern umgibt, tut gut daran, auch gegnerische Frauen weiter runterzuputzen. Alles andere wäre eine Diskriminierung. Wer wie Frau Saysay austeilen kann, muss auch mit der Reaktion rechnen. Wem ist in der Küche zu heiß ist, darf keine Köchin werden. Welpenschutz darf der Bürgermeister nicht anwenden.

Ratsfrau Michaela Jonas (UWG) hat recht: Bei den Bürgern, die dringend Unterstützung benötigen, hat die CDU-Chefin einen guten Eindruck hinterlassen und ihre zerstrittene Fraktion kann es nicht dulden, wenn sie runtergeputzt wird. Lierenfeld liefert den Kitt für die Union. Fraktionschef Weber ist klug genug, die aktive Parteifreundin einzubinden. Und vielleicht gibt es eines Tages auch ein Weibsbild an der Spitze der Stadt. Der Absturz Harbecks in den Beliebtheitswerten wichtiger deutscher Politiker wird Erik Lierenfeld als Hinweis indentifizieren, dass in diesen Krisen-Zeiten kaum noch etwas sicher scheint. 

Frank Möll

  

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