Neuss. Im Rheinland gibt es keinen Weihnachtsmann, sondern das Christkind! Hier verehren die Leute den Heiligen Nikolaus von Myra, den freundlichen Bischof, der mitunter auch einmal Ohrfeigen verteilt hat. So soll er seinen Mitbruder Arius beim Konzil von Nicäa ins Gesicht geschlagen haben, weil dieser nicht an die heilige Dreifaltigkeit glauben wollte. Zu Wut-Szenen und bösen Anrufen bei Rheintoday.de kam es jetzt auch wegen eines Vorfalls auf dem Nüsser Weihnachtsmarkt. Hier sei ein Betrüger unterwegs, heißt es. Rheintoday entsandte sofort ein Recherche-Team.
Es ist schon dunkel. Der Duft von Glühwein und Amaretto betört die Neusser. Sie kennen den Normalfall in der heiligen Stadt kurz vor Köln: Der echte Nüsser Nikolaus ist an dem Bischofshut zu erkennen. Die Mitra, wie sie zum Beispiel die Neusser Santas Maximilian Weiß (CDU) und Sascha Karbowiak (SPD) korrekt tragen und der Hirtenstab sind für Kenner die unerschütterlichen Beweise der Echtheit des Heiligen Mannes.
Jetzt nutzt ein Fake-Santa seit einigen Tagen das ehrwürdige Quirinus-Münster als Kulisse für sein Unwesen. Sein Komplize hat vor der Basilika eine Foto-Bude aufgebaut, die teilautomatisiert Fotos von dem Fake-Gesellen im us-amerikanischen Coca-Cola-Outfit aufnimmt, der Passanten anlockt. Diese müssen dann mindestens 7,50 Euro bezahlen, wenn sie Fotos von sich und dem falschen Väterchen Frost anfertigen lassen. Besonders hinterhältig: Den Kindern wird so durch eine Art Gehirnwäsche und die lange Lebensdauer der Fotos auf ewig suggeriert, dass es nicht den wahren Nikolaus, sondern den peinlichen Weihnachtsmann gibt. Der Boss der Foto-Bude soll sich offenbar zudem geschickt mit seinem Schnorres so verkleidet haben, dass er aussieht wie der berühmte und beliebte Rennbahn-Moderator Peter Glasmacher. Eine Masche, um Vertrauen herzustellen? Das wäre auch eine Ohrfeige ins Gesicht des lieben Pitters.
Der Patron des wirklich schönen Neusser Weihnachtsmarktes, Jupp Kremer, hat Wind davon bekommen, dass Rheintoday diese Story aufgreifen will und mahnt Mäßigung an: „Mensch, seid doch nicht so“, wirbt er für diese Foto-Bude.
Jupp und sein Sohn Felix Kremer sorgen für einen der tollsten Weihnachtsmärkte des Rheinlandes, geben armen Kindern auch schon mal eine Fahrkarte für das tolle historische Karussell aus, sorgen mit der Krippe und der Pyramide aus Heiligenfiguren für das echte, christliche Feeling und besuchen mit den anderen Schaustellern jedes Jahr den ehrwürdigen Dompropst Msgr. Guido Assmann im Kölner Dom. Der hätte als ehemaliger Oberpfarrer den falschen Gesellen sicher von seinem Quirinusmünster weggejagt. Doch der neue und moderne Oberpfarrer Andreas Süß hat nichts gegen amerikanische Weihnacht, Seinen eigenen Gottesdienst-Formaten gibt er oft englische Namen. Das ist gut an der katholischen Kirche: Jeder Jeck darf sich einbringen. Sogar ein sächsischer Weihnachtsmann, der Schokoladenhohlkörper und Jahresendgruppen statt Engelchen liebt.
Frank Möll