Dormagen: Schule soll Namen einer Lesben-Ikone tragen

Dormagen. Kurz vor der Geburt von Bürgermeister Erik Lierfenfeld galt Homosexualität noch als Straftat. So genannte „Rosa Listen“ wurden bei der Polizei geführt und Homosexuelle bestraft. Das hat sich heute zum Glück geändert. Jetzt soll sogar eine Dormagener Schule nach einer der berühmtesten Lesben der Welt benannt werden. Zuvor hatte es auf dem größten katholischen Portal eine Diskussion über den Stand von Homosexuellen in Dormagen gegeben. In der Pfarrkirche St. Michael bauten Aktivisten eine Transgender-Krippe auf. Die Mutter eines Mädchens hatte sich bitterlich beschwert, dass ihre lesbische Tochter in Dormagen vielen Anfeindungen ausgesetzt sei. Sie befürwortet wie viele andere Bürgerinnen und Bürger pro-homosexuelles Engagement wie die Benennung einer Schule nach einem homosexuellen Vorbild.

Die Sekundarschule am Bahnhof wird von Kritikern gerne als „Resteschule“ bezeichnet. Wenn es für das Gymnasium oder die Realschule nicht reicht, greift diese Anstalt, so der weit verbreitete Irrglauben. Das negative Image trägt diese wunderbare Schulform völlig zu Unrecht, denn hier gibt es die modernsten Lehrmittel, Tablets und Lehrer, die die Zukunft umarmen, auf Ball-Höhe agieren, wie der Handballer Erik Lierenfeld sagen würde.

Handwerker, Kaufleute und Künstler bringen den Kindern kein unnützes Wissen bei, sondern machen sie fit für die Zukunft. Viele schaffen später sogar das Abitur. Was aber auch stimmt: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ist auf einer Sekundarschule besonders groß. Eltern, die aus streng muslimischen, ländlichen Gebieten zum Beispiel aus Anatolien nach Dormagen auswandern, schicken hier gerne ihre Kinder hin. Homosexualität wird von muslimischen Gelehrten noch stärker als Todsünde verurteilt als zum Beispiel im Judentum oder den christlichen Kirchen, wo praktizierte Homosexualität zwar als Sodomie und schwere Sünde gilt, der schwule oder lesbische Mensch als Person aber geachtet wird, während in streng muslimischen Ländern härteste Strafen bis hin zur Hinrichtung drohen.

Auf den Zeugnissen der streng gläubigen Muslimen wird demnächst groß der Name eine Ikone der Homosexuellen-Community prangen: Rachel-Carson-Schule wäre gleichzusetzen wie Fredy-Mercury-Schule oder Rex-Gildo-Schule. Alles wunderbare Menschen, die die Pop- und Schlagerkultur geprägt haben. Und Rachel Carson hat die Wissenschaft geprägt, die Bienen gerettet! 

Rachel Carson konnte maßgeblich zum Verbot der schlimmsten Pestizide in den USA beigetragen. Ihr Buch „Der stumme Frühling“ hatte die Menschen 1962 aufgerüttelt. DDT, das gegen Mücken zur Malaria-Bekämpfung eingesetzt  wurde, konnte nach dem Erfolg ihres Buchs endlich verboten werden, um die Insekten und damit die Singvögel zu schützen. Es summte bald wieder in der Natur und die Tiere kamen zurück.

Ein Leben lang litt die grandiose Wissenschaftlerin und Buchautorin unter den antiquierten Moralvorstellungen in den USA- Ihr Mutter stammte aus einem strengen Pfarrer-Familie. Sie verliebte sich in Dorothy Freeman während eines Sommerurlaubes. Rachel Carsons Biografin Linda Lear bezeichnete die Beziehung nicht als lupenrein lesbisch, doch von vielen Homosexuellen-Aktivisten wie den Machern der LGBTQ-Enzyklopädie wird die Beziehung hingegen als klar lesbisch eingeordnet.

Das autonome Frauen-Lesben-Zentrum in Innsbruck zelebriert das lesbischen Leben von Rachel und Dorothy und lehrt zum Thema „Leben und Wirken des Frauenpaares in homophober Umwelt“. In der Tat hatten es beide schwer, wurde doch in ihrem religiösen Umfeld erwartet, dass Töchter aus guten Hause schnell heiraten. Und zwar einen Mann.

Kurz vor Rachel Carsons Tod vernichte ihre Freundin Dorothy Freemann hunderte wichtiger Briefe, weil sie Repressalien in einem Amerika fürchtete, das Homosexualität als strafbar und abartig ablehnte. So wie es heute noch alle Weltreligionen tun und insbesondere die strengen Muslime, die ihre Kinder auf eine Schule schicken, die bald den Namen einer Lesben-Ikone tragen wird. Übrigens: Bürgermeister Erik Lierenfeld wollte die Schule nicht nach dieser Wissenschaftlerin benennen, sondern hatte einen anderen Vorschlag präsentiert, der aber keine Mehrheit in der Schulkonferenz fand.

Die Schule begründet die Namenswahl vor allem mit ihrem Anschluss an das Netzwerk „Schule im Aufbruch“. „Schule im Aufbruch“ steht für eine ganzheitliche und gestalterische Bildung im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. „Im Mittelpunkt hierbei steht das Vermitteln von Verantwortungsbewusstsein: Verantwortung für sich selbst, Verantwortung für seine Mitmenschen und Verantwortung für unseren Planeten“, erklärt Schulleiterin Bettina Mazurek. Im Rahmen dieses Schulkonzepts orientiert sich die Schule an den Global Goals (17 Ziele der Vereinten Nationen für die Welt). Diese Global Goals sind fest in den schulinternen Lehrplänen zum Fach Projektzeit verankert. Bei jedem Projekt wird der Bezug zu den Global Goals hergestellt. „Wir definieren uns mit Nachhaltigkeit, Natur- und Umweltschutz in besonderer Weise. In Rachel Carson als unsere Namensstifterin sehen wir eine Vorbildfunktion“, sagt die Schulleiterin. Viele Muslime sehen Homosexuelle allerdings nicht als „Vorbilder“ an. Umso mehr wolle man ein „Zeichen für Toleranz setzen“, heisst es aus dem Rathaus,

Stimmt der Stadtrat dem Namensvorschlag zu, soll im Anschluss an die Sitzung das neue Logo der Schule öffentlich präsentiert werden. Am 6. Mai soll die Schule im Rahmen eines Schulfestes offiziell eröffnet werden.

Frank Möll

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