Dormagen. Lange ist nichts passiert, doch das nächste schlimme Jahrhunderthochwasser kann jederzeit Rheinfeld, Zons, Stürzelberg aber auch die gesamte Stadt Dormagen bedrohen. Nach neuesten Berechnungen müssen die Deiche und die Hochwasserschutzmauer in der Zollstadt und Stürzelberg um einen Meter erhöht werden. Dies würde bedeuten, dass Spaziergängern und Radfahrern das ganze Jahr über die Sicht auf den Rhein nicht mehr möglich ist.
Der Deichverband Dormagen strebt daher die Installation einer so genannte Aqua-Wand der Firma Aqua Burg (Münster) gegen drohendes Hochwasser an. Eine Riesen-Mauer, die die dauerhafte Sicht auf den Rhein verhindert, könnte mit der Neuentwicklung elegant und innovativ verhindert werden. (Rheintoday berichtete hier: https://rheintoday.de/neue-mammut-deichmauer-schockt-buerger/)
Bei der mobilen Wand aus stabilen und statisch starkem Drahtgeflecht (wie unterhalb der Golden-Gate-Brücke in San Franzisco als Sicherheitsnetz) und Starkfolie handelt es sich (anders als Alu-Dammbalkensysteme) um ein geschlossenes System, dass sich das ganze Jahr über im Bereitschaftsmodus befindet und direkt unterhalb der Deichmauer gelagert wird. Alles ist sicher miteinander verbunden, nichts kann verloren gehen oder gestohlen werden. Es gibt keine Schrauben, der Aufbau ist simpel, alle Komponenten werden aus dem Kanal innerhalb der Mauer gezogen, ineinander gesteckt und verbolzt.

Mit dem System ist schnelles, gezieltes Handeln mit minimalem Aufwand von Jedermann umsetzbar. „Erfahrene Einsatzkräfte werden entlastet, wertvolle Zeit und Manpower sind frei für weitere entscheidende Hochwasserschutzarbeiten, zum Beispiel die von Hochwasser, Starkregen und Überflutung gefährdete kritische Infrastruktur managen“, erklärt Hochwasser-Experte Hartmut Wibbeler den Fachleuten des Deichverbandes Dormagen auf dem Gelände der Zonser Feuerwehr.

Das Modell der hässlichen Riesenmauer macht den Passanten deutlich: DasMonstrum wird die Aussicht auf den Rhein samt Rheinaue gänzlich versperren. Auch Radfahrer haben dann auf der beliebten Strecke am Deich keine Möglichkeit mehr, den Fluss zu sehen. Der CEO (Oberchef) der Aqua Burg, Hartmut Wibbeler, reiste nun nach Zons, um im Sitzungssaal der Feuerwehr das Projekt dem Deichverband vorzustellen. Auch der Dormagener Deichgräf Joachim Fischer gehört zu den Skeptikern der Vorrichtung, zeigte sich aber vom Vortrag des Fachmanns „positiv angetan“.

Fischers Stellvertreter, Franz-Josef Bauers gehört wie Bürgermeister a.D. Peter-Olaf Hoffmann und Rechtsanwalt Adolf Robert Pamatat zu den treibenden Kräften, die alles im Auge haben. Auch Treibgut! Forschungen und Versuche zeigen, dass auch große Baumstämme, die der Rheinstrom gegen die mobile Wand aus Drahtgeflecht und Folie rammen lässt, der Konstruktion nicht anhaben können. Sollte dennoch ein Leck auftreten, kann dieses unter Volllast der Anlage leicht repariert werden. Dies alles zeigte Aqua Burg CEO Hartmut Wibbeler den anwesenden Fachleuten.

Während des Pressetermins für Rheintoday vor einigen Wochen am Rhein kommt es zum Unmut vieler Bürger: „Das ist ja wie früher in Ost-Berlin. Die DDR-Bürger wurden auch durch eine hohe Mauer eingesperrt!“
Adolf Robert Pamatat ist fassungslos über die Ideen der politisch gesteuerten Regierungsstellen. „Es gibt sicher elegantere Lösungen als einen Stein-Koloss zu errichten. Die klappbvare Anlage von Rheine kommt auch für Zons und Stürzelberg infrage und ist die bessere Lösung.“
An Pamatats Seite steht Erik Heinen vom Bundeswehr-Reservistenverband. Die Frauen und Männer stehen bereit, in Windeseile die versenkbaren Wände aufzubauen, wenn ein Jahrhunderthochwasser droht, was ja stets rechtzeitig angekündigt wird. Heinen ist selbst führender Forianer bei der Werksfeuerwehr des Chemparks. Obwohl der Deichverand ehrenamtlich geführt wird, vertrauen die Bürger den Hochwasser-Schützern seit vielen Jahrzehnten.
Ob sich die Bezirksregierung Düsseldorf auf die Idee von Bauers, Hoffmann und Pamatat einlässt, muss abgewartet werden. Als Deichaufsichtsbehörde überwacht und koordiniert sie alle Aktivitäten im Regierungsbezirk. Das Aufgabenspektrum reicht von der Genehmigung der Deichbauvorhaben über die Bewilligung von Fördermitteln bis hin zur Bau- und Betriebsüberwachung der Hochwasserschutzanlagen.
Die Bezirksregierung Düsseldorf ist auch Aufsichtsbehörde über die einzelnen hochwasserschutzpflichtigen Deichverbände und Kommunen. „Wir müssen jetzt das Genehmigungsverfahren abwarten“, erklärt Peter-Olaf Hoffmann und sieht ein Hauptproblem: Hinter Dormagen im Süden am Höhenberg fällt der Hochwasserschutz ab. Kölns Deiche liegen 50 Zentimeter unterhalb des Dormagener Niveaus. „Während Dormagen trocken bleibt, säuft Köln ab“, witzelt Hoffmann, denn in Höhe der Bundesstraße soll mit einer Querverriegelung Dormagen von Köln abgesichert werden, so dass das Hochwasser den Chempark überfluten wird. „Vom Hinterland wird die Flut dann Dormagen erreichen und einschließen“, munkeln Kenner der Situation.
Rund 280 Kilometer an Hauptdeichen und sonstigen Hochwasserschutzanlagen befinden sich am Rhein im Regierungsbezirk Düsseldorf. Alle Deichanlagen im Regierungsbezirk schützen bis zu einer Höhe eines festgelegten Bemessungshochwassers. Das ist nun neu justiert worden, so dass eine Erhöhung der Mauer um einen Meter zwingend notwendig ist. „Das bestreiten wir vom Erbentag auch nicht“, so Adolf Robert Pamatat. „Allerdings wehren wir uns, dass die schreckliche Mauer als alternativlos angesehen wird.“
Hochwasserschutz ist eine wichtige Zukunftsaufgabe. Daher fordert Rechtsanwalt Adolf Pamatat auch, dass nicht nur die Rheinfelder, Zonser und Stürzelberger Deichgebühren zahlen müssen, sondern alle Grundstückseigentümer im Dormagener Stadtgebiet. „Die dann auf viele Schultern verteilten Lasten sind minimal.“ Denn der Hochwasserschutz nutze auch den Nievenheimern, Gohrern oder Hackenbroichern. Deren Abwassersystem ist an die Rheinfelder Kläranalage angebunden. Sollte diese „absaufen“, würden die Fäkalien aus dem gesamten Dormagener Stadtgebiet nicht mehr abfließen können. Kanäle würden verstopfen, der Rücklauf der Fäkalien könnte im gesamten Stadtgebiet Seuchen auslösen. Hochwasserschutz sei für die gesamte Stadt Dormagen wichtig!
Hält die mobile Wand aus Drahtgeflecht und Folia auch bei einem terroristischen Anschlag oder mutmaßlicher Sachbeschädigung? Hartmut Wibbeler: „Bei einem normalen Deich werden auch Deichläufer eingesetzt. Sicherheitskräfte müssen natürlich auch die mobile Wand bewachen.“ Rechtsanwalt Adolf Robert Pamatat: „Hier könnten wir ein Security-Auto einsetzten, das regelmäßig die Anlage abfährt und kontrolliert.“
Frank Möll