Neuss. Der in einer geschlossenen Anstalt bei Kleve weggesperrte Neusser Lehrer Albert Schovenberg hat in diesem Jahr viel Leid erleiden müssen. Sein ehemaliger Schüler war im Herbst vergangenen Jahres offenbar in seine Wohnung eingedrungen und hat zahlreiche Fotos angefertigt, die seinen offenbar alkoholisierten Ex-Lehrer auf dem Boden liegend in einem hilflosen Zustand zeigten. Beweismittel, die ihm die Freiheit raubten!
Die Bilddateien, die den Nachnamen des Schülers tragen, übermittelte der Schüler mit Hilfe seines befreundeten Anwaltes an die zuständigen Stellen, Richter begutachteten die Erzählungen über seinen Zustand. Der Schüler, dessen Mutter Albert Schovenberg die Wohnung vermietete, war offenbar überfordert, sah, dass sein Lehrer in einem desolaten Zustand war. Jahrelang hatte er Schovenberg, der zu einem guten Freund wurde, besucht und mit ihm auch etwas unternommen. Doch jetzt konnte der Schüler einfach nicht mehr und stieß offenbar Maßnahmen an, die Schovenberg in eine geschlossene Unterbringung brachten. „Was mein ehemaliger Freund getan hat, ist schrecklich für mich. Wahrscheinlich hat er damals nicht gewusst, was er mir bis heute antut. Ihm ist das alles entglitten. Sein Ziel war es, mich los zu werden, mich aus dem gemeinsamen Haus zu werfen. Dass ich für immer in eine geschlossene Anstalt komme, hat er wohlmöglich nicht gewusst“, versucht Schovenberg die Beweggründe des in Neuss als empathischen und hilfsbereiten bekannten Mannes zu verstehen. „Dass er den Kontakt unbarmherzig abgebrochen und mich seit einem Jahr nur einmal besucht hat, tut mir sehr weh und macht mich traurig“, so Schovenberg. Dann weint er bitterlich.
Damals brachten fremde Männer den Lehrer in eine geschlossene Anstalt weit weg in der Nähe von Kleve. Ohne Wechselkleidung, ohne Telefon, ohne Radio, ohne Fernseher, ohne seine Brille. Er ist monatelang von der Außenwelt abgeschnitten, kann noch nicht einmal ein Buch lesen.
Sein Augenlicht lässt dramatisch nach. Es droht die Erblindung! Der Alkoholiker ist seit einem Jahr trocken und bekommt seine schreckliche Situation bei klarem Verstand mit. Schwerstkranke Mit-Patienten dringen nachts in sein Zimmer ein, urinieren und koten vor sein Bett. Vom bestialischen Gestank wacht er auf. Um sich zu sedieren und die schlimme Isolationshaft (kein Ausgang, keine frische Luft, keine Sonne) zu überstehen, sammelte er über Wochen unbemerkt Medikamente und nahm diese an einem Samstagabend im Frühjahr zu sich.
Da es im Heim am Wochenende nur eine Notbesetzung gibt, realisierten die Pfleger die große Gefahr nicht, in der sich Schovenberg befand. Am Sonntag morgen besuchte ihn zufällig der Chefredakteur von Rheintoday in seiner Zelle. „Eigentlich wollte ich an diesem Tag gar nicht kommen, aber ich spürte, dass es Albert nicht gut geht. Also setzte ich mich in die Bahn und fuhr nach Kleve“, berichtet Frank Möll. Im Zimmer fand Möll den sterbenden Lehrer und alarmierte sofort den Notarzt. Die Rettungskräfte brachten Schovenberg mit Blaulicht in die Intensivstation des Klever Krankenhauses. Eine Nacht und einen Tag kämpfen die Ärzte um sein Leben, bekommen seine schweren Herzaussetzer wieder in den Griff. Schovenberg war viele Stunden nicht ansprechbar, kämpfte aber um sein Leben, weil er an diesem bislang noch hängt.
Langsam erholte sich der beliebte Lehrer wieder, konnte nach einigen Tagen das Bett verlassen und stärkte sich in der Klinik des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in Bedburg-Hau. Dort erlaubten ihm die Ärzte, mit seiner Vertrauensperson Frank Möll spazieren zu gehen. Regelmäßig besuchte ihn die Familie. Und auch die Nichte und ein Neffe kamen vorbei, munterten ihn auf. Das erste Mal seit Monaten sah Schovenberg wieder den Himmel, konnte frische Luft atmen, trank eine gute Tasse mit echtem Bohnenkaffee, genoss ein Stück Kuchen im Café.
Doch dann der Schock: Ein Gutachter übernahm ganze Textpassagen der vorherigen Gutachten, ohne Schovenberg erneut intensiv zu befragen. Das Urteil des zuständigen Betreuungsrichters des Amtsgerichtes Kleve: Schovenberg muss wieder zurück in die geschlossene Anstalt, wo er bis heute qualvoll seine Zeit totschlägt. Wenigstens hat er nun einen Fernseher, darf einmal oder zweimal im Monat raus und bekommt ein wenig Taschengeld für löslichen Kaffee, Obst und Schokolade. Die Rheintoday-Redaktion und seine Nichte holen ihn gelegentlich ab und gehen mit ihm Pommes mit Currywurst essen.
Im Neusser Rheinaugenzentrum gelang es Dr. Anna Cybulska-Heinrich mit ihren heilenden Händen, ihrem Können und ihrer großen Erfahrung, den armen Mann vor der vollständigen Erblindung zu retten. So setzte sie in insgesamt drei Operationen zwei neue Linsen ein, behandelte die desolate Netzhaut mit Medikamenten. Auch hier musste Rheintoday und der engagierte Schovenberg-Anwalt Adolf Robert Pamatat den Patienten vor dem Gutachter schützen. Der behauptete fälschlich, dass diese Operationen auch im Kreis Kleve oder in Xanten zum Erfolg geführt hätte. „Das war sehr schlimm. Wir hätten erst in vielen Monaten in Xanten einen OP-Termin bekommen. Dann wäre es zu spät gewesen. Gut, dass Albert mit Rechtsanwalt Pamatat einen Kämpfer an seiner Seite weiß, der ihn vor Fehlentscheidungen der übermächtigen Gutachter schützen kann“, betont seine Nichte Sabine Thönessen, die sofortige Freiheit ihres Onkels fordert. Am kommenden Dienstag will eine neue Richterin Albert Schovenberg in seiner Anstalt besuchen. Sie soll prüfen, wie lange er noch eingesperrt werden soll.
Anfangs erlaubte der Berufsbetreuer, ein Anwalt aus Neuss, dass Schovenberg mit normalen PKW kostengünstig zu den Arztterminen gebracht werden durfte. Hier konnte Schovenberg aus dem Fenster schauen und bei Netto in Neuss noch ein wenig Obst und Schokolade kaufen. Zehn Minuten hatten die Fahrer immer Zeit. Doch dann die Wende: Der Betreuer verfügte, dass Schovenberg nun ständig mit extrem teuren Krankenwagen des Deutschen Roten Kreuzes gefahren werden soll. Die Sekretärin des Betreuers hat eine enge Beziehung zum DRK. Bei ihrer Hochzeit kam sogar ein Oldtimer-Einsatzfahrzeug des Roten Kreuzes als Hochzeits-Attraktion zum Einsatz. Eine Firmandin des unbarmherzigen Schovenberg-Schülers war lange Jahre Chefin der Hilfsorganisation.
„Albert Schovenberg wurde vor zwei Wochen von drei Sanitätern des DRK abgeholt. Aber es fehlte der Transportschein, so dass die Einsatzkräfte wieder abrückten. Er verpasste den wichtigen Kontrolltermin. Vergangenen Mittwoch holten Albert Schovenberg dann drei Sanitäter und ein Krankenwagen der Rotkreuz-Organisation unangemeldet ab“, wundert sich seine Vertrauensperson Frank Möll. „Die gehen mit mir wie Dreck um. Ich war gerade duschen, da wollten die mich einpacken. Hat denn niemand mehr Respekt“, so Schovenberg, der die dreistündige Fahrt nun immer ohne Fenster im Innenraum des Krankenwagens absolvieren muss.
Einmal brachte das Deutsche Rote Kreuz den Lehrer nach Neuss und ließ ihn stundenlang auf dem Marktplatz alleine, weil es in Kleve einen Großeinsatz gab. Und das, obwohl er ja eigentlich geschlossen untergebracht und rund um die Uhr betreut sein soll. „Meine Vertrauensperson und die Kanzlei Pamatat haben dann dafür gesorgt, dass ich von den Johannitern wieder in meine Einrichtung gebracht wurde. Doch die beiden jungen Sanitätern ließen ihren verständlichen Frust an Albert Schovenberg aus, weil sie sich als Taxi-Fahrer missbraucht fühlten. „Der Mann ist doch kerngesund, kann durch Neuss laufen. Warum blockiert er einen Einsatzwagen der Kreisleitstelle“, hieß es. Die beiden Sanitäter machten in Bedburg-Hau die Heimleitung „rund“ und waren gegenüber Schovenberg sehr ärgerlich, als dieser um ein Fensterplatz bat. „Das hier ist kein Wunschonzert“, verlautete es barsch. Johanniter-Pressesprecher Dieter Guderley bedauerte gegenüber Rheintoday das Missverständnis. Ein Patient, der zum Spielball von Betreuern und Gutachtern geworden ist, kann nicht der Schuldige für Missstände gemacht werden, sind sich alle einig. „Wir werden unsere Mitarbeiter sensibilisieren“, verspricht Dieter Guderley.